MYBERGTOUR'S FINEST
Foto Speedy Füllemann
Klettern | Salbit Westgrat
mächtig, wild, kühn
Der Salbit Westgrat gehört unserer Meinung nach zu den absolut besten klassischen Klettertouren im Alpenraum, ja wenn nicht sogar weltweit. Eine mehr als tausend Klettermeter und 36 Seillängen lange, rassige Alpenfahrt über sechs Türme, die sich aus einem Meer von hartem Urner Granit erheben. Griffiger Fels, durchgehend gute, meist allerbeste Felsqualität, kühne Linien entlang von Rissen, Schuppen, Kanten und Kaminen machen Klettern am Salbit zum besonderen Erlebnis. Selbst die Wandstellen weisen grosszügige, ja derweilen skurrile Griffformen auf.
Der Salbitschijen Westgrat ist lang. Er erfordert ein sehr sicheres und zügiges Klettern im 5. und 6. Schwierigkeitsgrad, dies insbesondere auch im klassischen Gelände mit Rissen und Kaminen. Zusätzlich müssen einige Stellen bis 6b geklettert werden. Diese kann man zwar A0 meistern, wer jedoch nicht über diesen Schwierigkeiten steht, dürfte sich eher schwer tun am Salbitschijen Westgrat.
Zudem ist die Tour, zum Glück, alpin geblieben. Sie weist exponierte Passagen auf und erfordert einen sicheren Umgang mit mobilen Sicherungsgeräten, ein effizientes Seilhandling und einen Sinn für die beste Wegfindung. Selbst für die lokalen Bergführer gehört der Salbit Westgrat zu den fordernsten, aber auch lohnendsten Führungstouren in den Urner Alpen. Kurz: ein anspruchsvolles und absolutes Highlight für jeden erfahrenen Alpinisten, der Freude hat an klassischen Klettertouren. Seis alleine oder in Begleitung eines Bergführers.
NZZ Artikel zum Salbitschijen, inkl. Salbit Südgrat
SRF Beitrag zur neuen Salbitbrücke
Karte Salbitschijen | Rot eingezeichnet: ungefährer Zustieg zum Biwak und Abstieg vom Gipfel. Der Zustieg zur Salbithütte und zum Einstieg verläuft über den eingezeichneten Wanderweg.
Zustieg - Salbit Westgrat
Wer einen bereits sehr langen Tag noch etwas verlängern will, kann den Salbit Westgrat grundsätzlich in einem Tag, von Tal zu Tal, unternehmen. Die allermeisten, und dies ist auch empfohlen, steigen am Vorabend zur Salbithütte oder zum Salbitbiwak auf, geniessen die Abendstimmung in den Bergen, bestaunen den Granitriesen und stellen sich in Ruhe auf den morgigen Tag ein, seis nun in Vorfreude, seis mit dem “Sch... in den Hosen” oder mit einer geheimnisvollen Mischung dieser beiden, welche den Reiz solcher Unternehmungen mitunter ausmachen kann.
Der Zustieg zum Salbitbiwak führt von der Voralpkurve aus via Voralp und Spicherribiechelen in knappen 2.5 Stunden zum Biwak. In der Chelen findet man wegloses Gelände, teilweise mit Stahlseil verstärkt. Dieser Zustieg ist exponiert und man ist teilweise schutzlos vor allem, was von oben kommt. Oft liegt bis in den Frühsommer hinein Schnee, was den Einsatz von Pickel und sogar Steigeisen erforderlich machen kann, zumindest jedoch ist gutes Schuhwerk unabdingbar . Dieses schwere Material will man nicht unbedingt über die 6 Granittürme des Salbitschijen Westgrats schleppen. Das Biwak ist mit 10 Schlafplätzen inkl. Decken und einfacher Kochausrüstung (Gaskocher, Pfannen uä) ausgestattet. Halbleere Gaskartuschen findet man ebenfalls oft vor Ort. Wer sich sicher sein will, bringt dennoch seine eigenen mit. Wasser hingegen ist hier rar und man findet dieses meist nur im Frühsommer in unmittelbarer Umgebung des Biwaks.
Empfohlen ist jedoch der Zustieg via Salbithütte. Dieser führt entlang eines sicheren Wanderwegs und dauert ca eineinhalb Stunden ab dem Göschenertal bis zur Hütte und eine weitere Stunde über die neue Salbitbrücke zum Einstieg. Der Hüttenwart Richi und sein Team sorgen nicht nur für hervorragende Verpflegung, sondern beseelen die Salbithütte mit ihrer freundlichen und herzlichen Art. Zusätzlich führt der Abstieg vom Salbit direkt an der Hütte vorbei, weswegen man hier nicht benötigte Ausrüstung deponieren kann.
Turm I - Salbit Westgrat
Der Einstieg zum Salbitschijen Westgrats liegt wenige Gehminuten oberhalb des Biwaks, offensichtlich auf einem kleinen Podest, welches man über ein kurzes Couloir erreicht. Früh starten lohnt sich nicht nur wegen den 36 Seillängen, die vor einem liegen, gerne entsteht hier auch Stau, wenn mehrere Seilschaften gleichzeitig am Start stehen. Denn die erste Seillänge ist nominell mit 6b gleich die schwierigste der ganzen Tour und läuft auch manchem Bergführer, der die Tour eigentlich kennt, frühmorgens nicht ganz so locker rein. Die Kletterei hingegen ist erstklassig. Man findet einige Bohr- und Schlaghaken und kann problemlos zusätzliche Sicherungen legen. Nach der zweiten, ebenfalls sehr lohnenden Länge wird das Gelände einfacher. Ab hier kann man mit dem korrekten Einsatz einer Rücklaufsperre (Microtraxion, T-Bloc o.ä.) sicher und insbesondere schnell gemeinsam klettern. Einfache, grossgriffige Kletterei wechselt sich mit ein par Einzelstellen bis 5b und auch kurzen grasigen Rampen ab. Am Ende von SL 5 sollte man den Abzweiger nach rechts zum Stand nicht verpassen. Das Gelände kann einen hier leicht verleiten, gerade hoch zu klettern. Das Salbit Westgrat Topo von Filidor ist hier jedoch sehr genau. Die letzte, mit 6a bewertete Länge wartet nochmals mit einer spannenden Einzelstelle in einer Verschneidung auf. Auf dem Turm I quert man anschliessend etwas unübersichtlich, zuerst hinter einem Block und weiter auf dem Grat zum ersten Abseilstand. Nach dem ersten Abseiler klettert man einfach ab, quert und klettert nochmals ca 5m zum zweiten Abseilstand ab. Dieser liegt etwas versteckt, tiefer rechts unten als man ihn vermutet und wird gerne verfehlt.
Turm II - Salbit Westgrat
Die offensichtliche Rissline entlang von Turm 2 ist prominent vom ersten Turm aus zu erkennen. Ihr Anblick lässt Vorfreude, aber auch Respekt aufkommen. Die erste Länge, fast 50m, geht flott daher und man gewinnt piazzend schnell an Höhe. Die zweite Länge, der bekannte Holzkeilriss, gehört zum Besten, was der Salbitschijen Westgrat bereit hält. Ein eindrücklicher Riss, flankiert von irren Granitstrukturen, wie man sie sonst nirgends findet. Und dies in einer wilden, alpinen Umgebung, schlicht grossartig. Hier schlägt das Klettererherz höher. Man folgt immer dem Riss. Das Salbit Westgrat Topo im Salbit erleben Führer zeigt hier fälschlicherweise einen Schlenker nach rechts, das Salbit Westgrat Topo im Extrem Ost hingegen ist korrekt. Der Riss wird oben kurz breiter, bis Off-Fist. Hier kommt sogar manch einer ins Schwitzen, Liebhaber von breiten Rissen wirds hingegen freuen. Hier kann man einen Camalot Nr 3 einsetzen. Wer sich in dem Gelände wohlfühlt, kommt jedoch auch ohne durch und kann die alten Holzkeilen abbinden, denn der 3er Cam ist sonst nirgends notwendig. Am bequemen Standplatz angekommen, kann man sich eines breiten, zufriedenen Lächelns nicht erwehren: eine grossartige Länge hinter, ein Meer aus Granit und die eindrückliche Gebirgswelt um sich.
Die folgenden Längen zum Turm II sind wieder einfacher und führen zum grosszügigen, ebenen Gipfelplateau, quasi dem Frühstücksplatz vom Salbitschijen Westgrat. Diesen sollten man in ca 5 Stunden erreichen. Hier hat man etwas weniger als die Hälfte hinter sich.
Der Turm II beherbergt auf seiner Südseite zahlreiche eigenständige Klettertouren wie die bekannte Via Hammerbruch, GKG, KGB und wie sie alle heissen. Über diese kann man abseilen, zB. wenn ein Gewitter heran- oder die Zeit davonzieht. Ein späterer Rückzug müsste über die schlecht eingerichteten Abseilpisten in den Scharten erfolgen. Klettert man weiter auf dem Salbitschijen Westgrat, seilt man vom Turm II zuerst 10 und nochmals weitere volle 50m in die Scharte ab. Die Angaben im Salbit Westgrat Topo von Filidor stimmen hier gut.
Turm III - Salbit Westgrat
Der Turm III ist weniger ausgeprägt als die anderen, die Kletterei meist einfach und man quert beinahe mehr als man hochklettert. In der Mitte stellt sich einem jedoch ein kleines Wändchen entgegen, an welchem man ordentlich anziehen muss. Viele Kletterer sind am Westgrat sowieso im “vorwärts-vorwärts” Modus unterwegs und werden hier kurzentschlossen an den Haken ziehen, was dank den vielen Sicherungen gut geht. Die Stelle ist jedoch auch frei kletterbar, wenn auch eher 6a++. Ein Zackenstand, zwei einfache Seillängen und 40m Abseilen später steht man bereits in der nächsten Scharte.
Turm IV - Salbit Westgrat
Herrliche Klettermeter in der ersten, eine anspruchsvolle, wiederum A0 bewältigbare Einzelstelle in der zweiten und ein spannender Kamin in der dritten Seillänge erwarten einen hier als erstes. Letztere wird gerne als Schinderkamin beschrieben. Letzendlich hängt es dennoch primär von der eigenen Kamintechnik ab, ob dieser als Genuss oder eher als Schinderei erlebt wird. Auf jeden Fall weist dieser gute Strukturen auf, wo Hände und Füsse Halt zum Klettern finden. Eng ists trotzdem und manch einer hängt sich den Rucksack gerne an den Gurt.
In der letzten Länge klettert man wiederum an grossen, griffigen Strukturen in grossartiger, steiler Kletterei auf die Nordseite von Turm IV, wobei der höchste Punkt links umgangen wird. Ein Verhauerstand rechts beweist, dass sich einige Seilschaften hier zu weit rechts verleiten liessen. Das Salbit Westgrat Topo von Filidor stimmt auch hier gut. Von hier seilt man nordseitig, teilweise frei hängend, in 45 Metern zum Hotel Salbit ab. Dies ist wahrscheinlich der einzige, vor leichtem Regen geschützte Biwakplatz am Salbitschijen Westgrat, dafür arg kühl, schattig und unwirtlich. Es gibt Berichte von Seilschaften, die hier ihr Seil nicht abgezogen kriegten, obwohl der glatte Fels nicht auf diese Gefahr hinweist. Hier will man definitiv keinen Seilverhänger haben, achtet also auf den Seilverlauf.